Recht auf Leben
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Respekt für Dich selbst
- Respekt für andere und
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http://www.dw.de/shiva-nur-kleinbauern-k%C3%B6nnen-die-welt-ern%C3%A4hren/a-18081063

 

Ernährung

Shiva: "Nur Kleinbauern können die Welt ernähren"

 

Die indische Globalisierungskritikerin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, plädiert im Gespräch mit der DW für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Frau Shiva, Sie haben als Gastrednerin auf dem Parteitag der Grünen gesprochen. Was war Ihre Botschaft an die grüne Partei in Deutschland und an deren Wähler?

Vandana Shiva: Die Grünen sind eine Partei, die aus der Sorge um die Erde und um die Menschenrechte entstanden ist. Die Frage der Nahrungsmittelsicherheit ist für sie also ein wichtiges Thema, das zu ihrer Agenda passt. Mehr als 70 Prozent der Umweltzerstörung entsteht durch die industrialisierte und globalisierte Landwirtschaft, die nur 30 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion sicherstellt. Wenn die industrialisierte Landwirtschaft weiter anwächst und nur 40 Prozent der weltweit benötigten Lebensmittel herstellt, wird sie dafür alle Ressourcen aufbrauchen und zerstören: Boden, Wasser, Artenvielfalt und ein stabiles Klima.

Meine Botschaft an die deutsche Öffentlichkeit lautet: wir, die Menschen des Nordens und des Südens, sollten uns nicht auseinander dividieren lassen. Wenn Deutsche sagen, sie wollen keine industrialisierte Landwirtschaft und keine genveränderten Lebensmittel, dann helfen sie damit der Dritten Welt. Denn die Massentierhaltung in Europa verbraucht viel Boden, Getreide und Soja, Güter also, die wir eigentlich für die Versorgung von Menschen benötigen würden.

Es gibt aber Experten, die sagen, man benötigt die industrielle Landwirtschaft und gentechnisch veränderte Produkte, um die rapide wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Diese Behauptung habe ich mehr als 30 Jahre lang studiert und wissenschaftlich untersucht. Ich habe zum Beispiel eine Studie für den Punjab gemacht. Die Lebensmittelproduktion dort ist mit der Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen und industrialisierter Landwirtschaft zurückgegangen, die Produktion von Konsumgütern dagegen hat zugenommen. Doch mit Konsumgütern können Sie Menschen nicht ernähren. Gentechnik ist nicht geeignet, den Ertrag zu steigern. Der Ertrag kommt nur durch konventionellen Anbau. Die Gentechnik fügt den Pflanzen einfach nur ein unkrautvernichtendes Gen hinzu. Das ist aber keine Technologie, die den Ertrag steigert. Außerdem ist das Modell von Monokulturen, die sich auf unkrautvernichtende Gene stützen, nicht nachhaltig und teuer. Die Bauern, die sich dieses gentechnisch veränderte Saatgut kaufen müssen, werden dadurch in Schulden gestürzt. Nahezu 300.000 indische Bauern haben sich total verschuldet, seit es das globalisierte Wirtschaftssystem und die Monopole der Konzerne gibt. Ich habe 30 Jahre lang gründlich und wissenschaftlich studiert, wie ökologische Systeme und wie industrialisierte Systeme funktionieren. Das Ergebnis lautet: ökologische Systeme produzieren mehr Lebensmittel. In Indien könnten wir durch ökologische und nachhaltige Landwirtschaft den Kontinent zweimal ernähren. Die industrialisierte Landwirtschaft ist in Wirklichkeit nämlich vollkommen ineffizient. Politiker und Konzerne sagen, dass wir sie brauchen, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Aber nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt.

Wie sieht das in Ihrem Land aus, in Indien? Dort herrscht noch immer große Armut und viele Kleinbauern und Waldbewohner fliehen in die Städte.

In den Wäldern und in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten werden die Menschen von ihrem Land vertrieben. Es gibt einen massiven Zugriff auf ihr Land. Diesen "landgrab" haben wir in Afrika und in Indien. In Bezug auf Afrika spricht man mehr darüber, aber auch in Indien geschieht das.

Wer steckt hinter diesem Landraub?

Das sind die Konzerne. Sie brauchen das Land, entweder für die urbane Expansion, also für Immobilien oder für Minen, für Kohle und Bauxit. Das ist der Hauptgrund für den Landraub. Daneben expandiert aber auch die industrielle Landwirtschaft. Das führt dazu, dass die Kleinbauern verdrängt werden. Die Produktionskosten steigen und ein Kleinbauer kann auf dem globalisierten Markt nicht genug verdienen, um seine Kosten zu decken. Die Kosten sind ungefähr zehn Mal so hoch wie sein Ertrag. Das kann nicht funktionieren. Die Europaabgeordneten haben gesagt, die Bauern müssen einen fairen Preis bekommen. Aber die Globalisierung ist ja darauf ausgerichtet, dass sie gerade keinen fairen Preis bekommen.

Die Grünen in Deutschland sind mit manchen Themen, wie der Steuerpolitik, nicht gut angekommen. Nun wollen sie sich wieder verstärkt ihren ureigenen Themen widmen, zum Beispiel der nachhaltigen Landwirtschaft. Glauben Sie, dass sie damit die Menschen erreichen können?

Ich denke, die Grünen müssen sich dieses Themas annehmen, nicht nur für ihr eigenes Überleben, sondern um das Überleben des Planeten zu sichern. Das ist ihre Verantwortung. Wenn sie sich dieses Themas annehmen, werden sie die bedeutendste Partei, nicht nur in Deutschland.

Die Fragen stellte Bettina Marx

Vandana Shiva ist eine indische Wissenschaftlerin und Aktivistin. Für ihr Engagement in den Bereichen Umweltschutz und Landwirtschaft erhielt sie 1993 den alternativen Nobelpreis. Sie kämpft unermüdlich für eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft. Beim Parteitag der Grünen in Hamburg begeisterte ihre Rede die Delegierten.

Landwirtschaft

Kleinbauern statt Agrarindustrie

Nichtregierungsorganisationen warnen: Die Förderung von großen Investitionen der Privatwirtschaft in die Landwirtschaft löst das globale Hungerproblem nicht. Stattdessen sollte man Kleinbauern stärker unterstützen.

 

Eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern - die meisten von ihnen sind Kleinbauern. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, ist die Folge der Vernachlässigung der Landwirtschaft, sowohl in den Entwicklungsländern selbst als auch in der Entwicklungszusammenarbeit. "Kleinbauern erhalten wenig Unterstützung, um ihren Zugang zu Land und Wasser zu verbessern. Sie bekommen kaum Zugang zu Beratungsdienstleistungen, zu Saatgut und Krediten", erklärt Marita Wiggerthale, Expertin für Welternährung und globale Handelsfragen von Oxfam Deutschland im Interview mit der DW. Preisschwankungen auf den Weltmärkten sowie Dürren und Überschwemmungen infolge des Klimawandels kommen verschärfend hinzu, gibt Wiggerthale zu bedenken. "Und die Geldgeber sowie die großen Organisationen legen einen immer größeren Fokus auf die Förderung guter Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen, für große Investoren, statt für Kleinbauern."

Anlässlich des Globalen Forums für Nahrung und Landwirtschaft am Rande der Grünen Woche in Berlin bezeichnete das Bundeslandwirtschaftsministerium die "enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Investoren" als "Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit in der Agrarpolitik".

Auch in den Leitlinien zur Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anfang 2012 verabschiedet hat, heißt es explizit: "Wir fördern die Entfaltung privatwirtschaftlicher Initiative und den Aufbau von Wertschöpfungsketten im ländlichen Raum." Das Konzept betont dabei, dass vor allem Maßnahmen und Investitionen unterstützt werden sollen, "bei denen Kleinbauern Zugang zu Märkten, beruflicher Qualifizierung und Finanzdienstleistungen erhalten".

Oxfam: Politik geht von falschen Voraussetzungen aus

Hier setzt die Kritik von Oxfam an. "Es wird einige Kleinbauern geben, die in der Lage sind, sich in moderne Wertschöpfungsketten zu integrieren und Kooperationen mit größeren Konzernen einzugehen, beispielsweise in Form von Vertragsanbau", sagt Marita Wiggerthale. Die Oxfam-Expertin gibt aber zu bedenken, dass "das Heer der Kleinbauern formal überhaupt nicht organisiert" ist. Voraussetzungen wie Zugang zu Märkten, Krediten und Saatgut müssen durch den Staat geschaffen werden, so die Forderung von Oxfam. Weiter........siehe dem Link

 

http://www.dw.de/kleinbauern-statt-agrarindustrie/a-16533534